Das Bauarbeiterfrühstück - Eine Ode an die Morgenrituale des postindustriellen Helden
Es gibt sie, diese stillen Rituale, verborgen zwischen Morgengrauen und Maschinenlärm. Während andere bereits mit Headset und Laptop im Starbucks sitzen und sich den dritten Salted Caramel Frappuccino mit Hafermilch und Dinkelmuffin bestellen, kultiviert der wahre urbane Titan ein Frühstück, das nicht nach nachhaltiger oder veganer Ernährung, sondern nach blankem Überlebenswillen schmeckt. Es ist kein Ausdruck von Achtsamkeit, sondern ein kompromissloses Ja zur Funktionalität - ein Start in den Tag, der keinen Raum für Genuss lässt, sondern allein der Aufrechterhaltung des Betriebs dient. Ich spreche natürlich vom Bauarbeiterfrühstück - einer Komposition aus archaischer Eleganz, nervöser Energie und einem Hauch von Nikotin getränkter Poesie.
Die Symphonie beginnt nicht etwa am Küchentisch, sondern im Bus - dem rollenden Tempel proletarischer Selbstinszenierung. Dort, zwischen den klappernden Haltegriffen und inmitten von gähnenden und schwankenden Leidensgenossen, wird das erste kulinarische Highlight ausgepackt: die Kinder-Milchschnitte. Nicht etwa genüsslich verzehrt, sondern eher gierig inhaliert wird das Relikt aus Kindheitstagen, das man sich als Erwachsener nur noch im Halbschlaf leisten kann. Sie verschwindet irgendwo zwischen zwei Haltestellen, wie eine tröstende Hand auf die Schulter legt sie sich zart auf den leeren Magen - süss und kühl.
Parallel zum kalorienreichen Startschuss wird - ausgebreitet auf den zusammengepressten Knien - die Zigarette des Tages zubereitet. Handgedreht natürlich, denn wer ordentlich arbeitet, der rollt auch ordentlich. Mit chirurgischer Präzision wird das Lungenbrötchen vorbereitet, und das, während der Bus über Schlaglöcher tanzt, als wolle er dem Ritual noch eine Prise Dramatik hinzufügen. Sekundenbruchteile vor dem Erreichen der Haltestelle ist es soweit: Der Glimmstängel ist fertig. Nicht früher, nicht später - exakt eine Sekunde vor dem Zischen der sich öffnenden Türen wird gezündet, ein Akt der Rebellion gegen die dekandente bürgerliche ÖV-Etikette.
Letzter Akt - Der Marsch zur Baustelle. Erst Zisch, dann Knack. In der linken Hand die Zigarette - in der rechten das soeben geöffnete Red Bull. Dieses wird nicht etwa getrunken, sondern mitten im martialischen Gleichschritt auf ex einverleibt - der heilige Treibstoff für die zu errichtende Nation. Der Körper zuckt, das Herz tanzt Rumba, und der Verstand murmelt leise: Jetzt kann ich Mauern hochziehen.
Dieses Frühstück ist kein Mahl - es ist eine Lebenseinstellung. Es steht für Effizienz, für Widerstand, für die tiefe Verachtung gegenüber Avocado-Toast. Es ist die mit Tabak parfümierte Kampfansage an den Bürokaffee und die müden Croissants der gegenüberliegenden Meetingkultur. Es ist: Das Bauarbeiterfrühstück - die radikale Kunst der Energiezufuhr.
Bon Appétit, du König des Rohbaus.